22.10.2020
Autor: Tobias Gräf
Das Coronavirus hat auch die Pläne der Roverrunde Gorilla durcheinandergewirbelt. Doch Zuhause bleiben ist für echte Pfadfinder keine Option. Kanuwandern an der Mecklenburger Seenplatte, Zelten an der Ostsee mit Barbecue am Strand, Irish-Pub-Besuche und E-Scooter-Fahren in Berlin: Mit ihrer dreigliedrigen Sommerfahrt in Nordostdeutschland haben die Sulzbacher Rover ein erstklassiges Alternativprogramm auf die Beine gestellt – und Abenteuer pur erlebt.

Pfadfinder wandern oft und gerne. Ein vielzitierter Spruch, wenn es um die DPSG geht. Zwar war auch die Roverrunde „Gorillas” während ihrem neuntägigen Gruppenunternehmen von 29. August bis 6. September viel unterwegs – doch beim Kanuwandern auf der Mecklenburger Seenplatte im Nordosten Deutschlands haben die fünf Sulzbacher Rover und ihre zwei Leiter Korbinian Wirth und Tobias Gräf eine ganz besondere Form der Fortbewegung gewählt. Mit drei vollgepackten Kanus stach die Gruppe von der Fleether Mühle aus in See: Über den Rätzsee und durch den Drosedower Bek zum Gobennowsee ging es bis hin zum Klenzsee. Nach einer Übernachtung auf einer Wiese im Kanuhof Wustrow und einem ausgiebigen Frühstück mit Rühreier paddelten die Sulzbacher durch den Plätlinsee zum Reeksgraben – ein circa 1,5 Kilometer langer, schmaler und schattiger Verbindungskanal, der mit seinen tief hängenden Ästen, Sandbänken und Wildenten an eine Dschungeldurchfahrt erinnerte. Als sich das Schilf lichtete und die Kanus am Großen Pälitzsee offenes Wasser erreichten, ging es über den kleinen Pälitzsee, den Canower See und einer Schleuße weiter in den Labussee, ehe die Gruppe nach der Schleuse Diemitz und dem Vilzsee wieder ihren Ausgangspunkt beim Kanuverleih an der Fleether Mühle erreichte.

Gänsehaut-Feeling in der Abendsonne
Die „Gorillas” brauchten für diese entspannte Tour mit vielen Brotzeit- und Badepausen drei Tage. Unterwegs schlief die Gruppe auf Kanu-Zeltplätzen unter freiem Sternenhimmel. In völliger Abgeschiedenheit und inmitten der malerischen Natur der Mecklenburger Seenplatte mit ihren 1117 natürlichen Seen, umgeben von dichten und tiefgrünen Wäldern, fühlten sich die Rover wie Indianer am Yukon. Beim Gleiten über das glitzernde Wasser umgab die Kanuwanderer völlige Stille, lediglich durchbrochen durch das gleichmäßige Geräusch eintauchender Paddel. Als die Gruppe in den Abendstunden sich noch immer auf dem Wasser befand, bot sich ihnen ein spektakuläres Schauspiel: Die untergehende Spätsommersonne tauchte die Seen in ein schimmerndes Orange während sich der Horizont feuerrot färbte – Natur pur mit echtem Gänsehaut-Feeling.
Von der Enge im Kanu befreiten sich die „Gorillas” im zweiten Teil ihres Trips: Am Zeltplatz in Graal-Müritz angekommen, ergatterte die Gruppe einen schönen Zeltplatz – nur 20 Meter vom feinen Sandstrand und der Ostsee entfernt ragte die Jurte der Rover über alle anderen Zelt hinweg und verkündete unübersehbar die Ankunft der Sulzbacher. Die sorgten wegen Allerlei für großes Aufsehen unter den Zeltnachbarn. Mit der Vierfach-Brennerstation, zwei Garnituren, einem Pavillon und ihrem sechseinhalb Meter langen VW-Bus LT inklusive der drei Meter ausfahrbaren Markise beanspruchten die Pfadfinder vier Zeltplatz-Parzellen für sich und hatten auch mit ihren opulenten Menüs von Pulled-Pork-Burgern bis hin zu Lasagne unbestritten ein Alleinstellungsmerkmal.
Meeresrauschen im Schlafsack
Langweilig wurde es auch an der Ostsee nie: Baden im Meer, Ausflüge ins nahegelegene Rostock, nach Warnemünde oder entlang des Saaler Boddens in den Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft auf der Halbinsel Zingst mit ihrer langen Küste und dem alten Leuchtturm am Weststrand garantierten jeden Tag neue Erlebnisse. Natürlich durften auch ein Besuch im Seerestaurant inklusive Fischplatte oder zahlreiche Matjessemmeln als Snack nicht fehlen. Beim Frühstück am Sandstrand wehte den Rovern zwar eine beständige Brise ins Gesicht – doch wer kann sich schon seine Nutella-Semmel mit Blick auf die Weiten des Meeres und mit Sand zwischen den Zehen schmieren? Obwohl sich dieser danach auch im Schlafsack, der Unterhose und auf den Sitzen des VW-Busses, in der Butter, im Geldbeutel und schließlich nach erfolgter Rückkehr in Form einer großen Besenladung auch im Hof vor dem Sulzbacher Pfadfinderheim wiederfand – zu einem echten Camp am Meer gehören die weißen Körner einfach dazu. So bescherte der unmittelbar vor dem Zeltausgang liegende Strand den „Gorillas” auch einen täglichen Höhepunkt: Geschart ums warme Grubenfeuer blickten die Rover allabendlich in den Sonnenuntergang über dem Meer und grillten dabei direkt am Strand über dem Dreibein Steaks oder Gemüsepfanne. Nach ein bis zwei Bier und mit dem beständigen Rauschen der Ostsee im Ohr schlief es sich dann besonders gut.

Kluft in U-Bahn sorgt für Gesprächsstoff
Ein turbulenter Abstecher in die Hauptstadt bildetet schließlich den Abschluss der Reise. Kostenlos untergekommen im zentral gelegenen Fotostudio von GSG-Mitglied Stefan Büchner (herzlichen Dank dafür!) in Berlin-Mitte, hatten die Rover einen perfekten Ausgangspunkt für ihre Tagesausflüge. Egal ob die klassischen Must-sees im Regierungsviertel oder per E-Scooter durch „echte“ Berliner Viertel mit leckerem Street-Food im Osten der Stadt – die „Gorillas” waren selten zu stoppen. Mit ihrer Kluft in der U-Bahn sorgten sie nicht nur für reichhaltig Gesprächsstoff unter dubiosen Mitreisenden in der Nacht, sondern auch beim abendlichen Besuch im Irish Pub oder im Künstlerviertel. Während der Berliner Döner nicht fehlen durfte – und gelegentlich auch nach Mitternacht noch verspeist wurde – kam mit dem Besuch am gut erhaltenen Flakbunker III Humboldthain inklusive fachkundiger Erläuterungen durch Tobias Gräf auch die historische Bildung nicht zu kurz.

Obwohl sich die Parkplatzsuche mit dem Sechs-Meter-Transporter im Berliner Regierungsviertel als vergleichbare Herausforderung erwies wie das Rangieren ohne Servolenkung im Stadtzentrum – nach neun Tagen kamen die Sulzbacher unbeschadet in der Heimat an. Weil die Hygienemaßnahmen vorbildlich eingehalten wurden, infizierte sich auf der bislang größten Gruppenfahrt der „Gorillas” auch niemand mit Corona – sehr wohl aber mit pfadfinderischem Reisefieber. Mit ersten Überlegungen für die kommenden Monate und das Jahr 2021 halten die Gruppenleiter dafür aber schon die perfekte Medizin bereit.